In den 1980er- und 1990er-Jahren galt der Wandel der traditionellen Geschlechterungleichheit als einer der bedeutendsten Fortschritte „unserer Demokratie“. Trotz vieler weiterer Gesetze zur Geschlechtergleichstellung hat sich heute aber offenbar ein Stillstand eingestellt. Von rechts wird sogar gegen Gender-Wissenschaften und Feminismus mobil gemacht und reaktionäre Entwicklungen scheinen möglich.

Das vorliegende Buch möchte jenseits der politischen Debatten die Entwicklung und Situation der Geschlechterungleichheit helfen aufzuklären. Dazu soll aber nicht das jüngere Zeitgeschehen nacherzählt oder noch weiter in die Geschichte zurückgegangen werden. Weder Eva noch Adam sind dafür verantwortlich, wie sich heute die Geschlechter behandeln. Antworten gibt es aber viele, warum weiter so viele Männer nicht nach dem Weg fragen und Frauen angeblich schlechter einparken können. Dieses Buch bietet den Lesenden zweierlei: Zum einen soll klar werden, dass die aktuellen Geschlechterverhältnisse zu verurteilen sind. Aber vermutlich haben die meisten, die dieses Buch lesen wollen, sowieso etwas gegen Mario Barth und Heidi Klum. Darum ist das zweite Anliegen, nicht die Geschlechterungleichheit zu verurteilen, sondern sie kritisch zu beurteilen. Die Geschlechtermissverhältnisse sinnvoll zu kritisieren ist also das wesentliche Ziel dieses Buches.

Dafür werden Argumente entwickelt und zur Diskussion gestellt. Einwände gegen andere Kritiken werden dabei auch vorgenommen, aber nur, um die eigene Darstellung weiterzubringen und zu begründen. Ausführliche Kritiken bestimmter Theorien sind nicht das Anliegen des Buches. Es vermeidet überhaupt Namedropping und Zitieren wichtiger Theoretiker_innen. Weder werden Aussagen richtiger, nur weil sie auch Karl Marx oder Judith Butler geschrieben haben, noch weil man diese korrekt zitiert. Wer die empfohlene Literatur am Ende jedes Kapitels ansieht, wird erkennen, von wem ich Ideen oder auch Sätze aufgegriffen habe und auf welche Diskussionen und Theorien ich mich beziehe.

Auch wenn die deutsche Gesellschaft frühere Formen der Geschlechterverhältnisse langsam abgeschafft hat und es aktuell eine Angleichung gibt, lautet die Grundthese dieses Buches: Die Herrschaftsformen der deutschen Gesellschaft und deren Kriterien der Konkurrenz sowie die dafür passende Organisation der Vermehrung bringen die Geschlechterungleichheit immer wieder hervor. Die aktuelle Angleichung der Geschlechter sowie die bleibende Ungleichheit in Deutschland resultieren aus seiner bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsform. Deren Prinzipien und Erfordernisse bestimmen beispielsweise die angebliche „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, haben diese in den letzten Jahrzehnten umstrukturiert und so besteht die Geschlechterungleichheit fort.

Die Argumentation des Buches bietet den Lesenden zunächst einen Überblick über die Geschlechterverhältnisse, wie sie aktuell als Daten erscheinen, einschließlich der üblichen rollentheoretischen Erklärungen (erstes Kapitel). Da diese Erklärungen zu kurz greifen, jedoch immer von Geschlecht als unhinterfragter Grundlage ausgehen, werde ich im zweiten Kapitel darauf eingehen, was Geschlecht überhaupt ist: die biparentale Vermehrung und die vorgebliche biologische Zweigeschlechtlichkeit des Menschen. Diese erscheint letztlich als ein kulturelles Symbolsystem (sex-gender), dessen Begründung als Theorie allerdings ebenfalls unklar bleibt. Die Hierarchie in den Geschlechterverhältnissen lässt mich dann weiter fragen, was gewonnen ist, wenn man die Geschlechterverhältnisse als Herrschaftsverhältnisse begreift (drittes Kapitel). Dies führt zu der Einsicht, dass die aktuellen Geschlechterverhältnisse und ihr Wandel nicht aus einem allgemeinen Begriff der Männerherrschaft oder des Heterosexismus zu erklären sind. Adam kann nicht als Sündenbock dienen. Die Geschlechterungleichheit ist aus der heutigen Gesellschaft und ihren Herrschaftsverhältnissen heraus zu begreifen, nämlich aus einer Art Doppelherrschaft von bürgerlichem Staat und kapitalistischer Ökonomie, die die Menschen auch in ihrer Glückssuche im Privaten nicht loslässt, so die Behauptung (viertes Kapitel). Die Grundthese des Buches gründet also auf der Vorstellung, dass die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft uns alle als vergeschlechtliche Subjekte unterwirft (fünftes Kapitel). Die Kritik an der Beteiligung von Frauen (und von Schwulen, Lesben …) in den Geschlechtermissverhältnissen soll also nicht erneut Eva die Schuld in die Schuhe schieben. Weder Adam noch Eva sind verantwortlich zu machen, diese Gesellschaftsform ist beider Gott und Herr.

Mehr: Siehe bei https://books.google.de unter Adlitz Geschlechterungleichheit.